Der Pamir-Highway – ein Highway, der durch Tadschikistan nach Kyrgyzstan führt und unter Radfahrern ziemlich legendär ist. Ich hab vorher zwar noch nie von ihm gehört, aber als ich angefangen habe, mich mit Radreisen zu beschäftigen, bin ich ziemlich schnell auf den Pamir-Highway gestoßen. Atemberaubende Landschaften, Pässe bis auf 4600m, Bergseen und der Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan. Gefühlt jeder, der durch Zentralasien reist, fährt durch den Pamir. Da wir erst Mitte Juni in Deutschland losgefahren sind, stand für uns von vornherein eigentlich schon fest, dass wir ihn nicht fahren werden – im November ist es dort schon bitterkalt. Wir machten uns schon große Sorgen, ob wir unseren höchsten Pass in Kyrgyzstan überhaupt schaffen (der zufälligerweise auch genau der Anfang oder eben das Ende des Pamir-Highways ist). Vor allem mir ist im Winter oft kalt und ich habe schon in Deutschland Probleme, mich warm zu halten. Das Thema Pamir stand für uns also gar nicht zur Debatte – dachten wir.

Als wir dann unterwegs waren, haben wir auf Instagram immer mehr Radreiseprofile entdeckt, die eine ähnliche Route wie wir fahren. 80% davon sind durch den Pamir gefahren und für alle war es wohl eines der Highlights der Tour – ergänzt durch beeindruckende Bilder. Vor allem mich hat das immer mehr verunsichert, ob wir nicht etwas Großes verpassen, weil wir nicht durch den Pamir fahren. Es klingt ziemlich lächerlich, aber das Thema hat uns wochenlang beschäftigt – es war vielleicht sogar das Thema, über das wir am meisten überhaupt geredet haben. Vor allem als uns ein anderes Radreise-Pärchen erzählt hat, dass sie Anfang/Mitte Oktober in den Pamir starten, hat micht das ins Nachdenken gebracht. Ist es doch ein Fehler, den Pamir auszulassen? Sollten wir unsere Reise komplett umplanen? Wenn die tough genug sind, sind wir dann vielleicht auch tough genug?

Immer wieder überlegen wir hin und her. Organisatorisch ist es quasi unmöglich, den kompletten Pamir zu fahren – uns fehlen warme Jacken und Handschuhe, wir haben kein Visum und außerdem warten unsere Reisepässe in Taschkent auf uns – und das liegt mitten in der „Pamir-Umgehungsroute“, mit der wir von Anfang an geplant haben.

Jedes Mal, wenn wir in Usbekistan ohne Internet unterwegs sind (wir haben uns dort keine Simkarte gekauft), merke ich wieder, wie sehr ich unsere bisherige Reise genossen habe und dass ich absolut zufrieden bin mit der Art, wie wir fahren. Als wir dann aber wieder in Städten mit WLAN-Zugang sind und ich durch Instagram scrolle, überkommt mich wieder das bescheuerte Gefühl, doch etwas zu verpassen. Ist das nicht blöd? Wir sind mitten in der Reise unseres Lebens, haben schon soo viele Landschaften und Menschen gesehen und trotzdem vergleiche ich mich mit anderen und bin neidisch auf das, was sie erleben. Ich nerve mich selber total mit solchen Gedanken, aber es fällt mir so schwer, sie abzustellen.

In Samarkand entscheiden wir uns für einen Kompromiss: Wir beantragen das tadschikische Visum und wollen von Kyrgyzstan aus ein kurzes Stück des Highways bis zur ersten Stadt in Tadschikistan fahren. Es klingt vernünftig und für mich scheint das die optimale Lösung zu sein. Wir genießen also unsere Zeit in Usbekistan, saugen die letzten warmen Sonnenstrahlen auf und kämpfen uns schließlich unseren geplanten Pass in Kyrgzyzstan hoch. Die Landschaft ist unglaublich und als wir oben sind, sind wir von Schnee umgeben. Vor allem die Abfahrt aber ist sooo kalt, wir haben nirgends richtig warme Handschuhe gefunden und mussten deshalb ein bisschen improvisieren. Als wir schließlich in Sary-Tasch, der letzten kirgisischen Stadt, ankommen, schneit es. Auf einmal kommt es mir bescheuert vor, über was ich mir so lange Gedanken gemacht habe. Ist es wirklich nötig, dieses Stück Pamir-Highway in Tadschikistan zu fahren, nur weil – ja, warum eigentlich? Weil ihn „alle“ fahren? Oft hatte ich das Gefühl, dass unsere Radreise weniger wert ist als die anderer oder wir weniger leisten, weil wir nicht durch den Pamir fahren – gehts eigentlich noch dümmer?

Der erste richtig kalte Pass hat mich nochmal an alle Gründe erinnert, wieso wir uns für unsere Route und gegen den Pamir entschieden haben – für uns ist es in dieser Jahreszeit wahrscheinlich eine ziemliche Quälerei, trotz der beeindruckenden Landschaft. Instagram ist ein cooles Medium, um andere ein bisschen zu begleiten und mich inspirieren zu lassen, aber für mich ist die Gefahr groß, mich mit anderen zu vergleichen und unglücklich zu werden. Seit ich mir immer wieder deutlich mache, wie sinnlos das ist, ist es schon etwas besser, aber das „Pamir-Drama“ hätte ohne Instagram wahrscheinlich überhaupt nicht stattgefunden und ich hätte mir so viele schlechte Gedanken sparen können.

Letztendlich haben wir uns jetzt dafür entschieden, unsere Räder in Kyrgyzstan zu lassen, und nach Tadschikistan und wieder zurück mit dem Auto zu fahren. Der Umweg ist schließlich nur für den Genuss und für uns, und für uns ist es einfach zu kalt. Wir müssen schließlich niemandem etwas beweisen und auch unsere Reise ist so nicht weniger wert. Andere sind sicher noch abenteuerlicher unterwegs als wir, aber darum geht es ja überhaupt nicht. Ist es nicht unglaublich, wie weit wir es überhaupt geschafft haben?