Als wir Peking in den Schnellzug steigen, um zurück in den Süden Chinas zu fahren, haben wir viel Zeit, nachzudenken. Und wir sind ein bisschen erstaunt, wie schnell der Monat ohne Fahrräder vergangen ist. Kurz vor Kunming, es verbleibt eigentlich nur noch eine halbe Stunde Fahrtzeit, bleibt unser Zug auf einmal in einem Bahnhof stehen. Es sind nur noch sehr wenige Passagiere und wir wissen nicht genau, was los ist, weil die Durchsagen im Zug nur auf chinesisch sind. Irgendwann kommt jemand vorbei, der ein bisschen Englisch spricht und macht uns klar, dass kurz vor uns gerade ein Erdbeben war und niemand weiß, ob und wann unser Zug noch weiter fährt. Wir sitzen also da und warten, ein Stunde, zwei, drei. Also wir irgendwann im Schneckentempo weiterfahren, sind wir richtig erleichtert und kommen schließlich um 1:00 Uhr in Kunming an. Unsere Gastgeberin ist für uns die ganze Zeit wach geblieben und wir sind sehr dankbar, dass wir nochmal ein festes Dach über dem Kopf haben dürfen.

Die nächsten beiden Tage verbringen wir damit, Jonas gebrochene Felge zu reparieren, uns seelisch auf die Weiterfahrt vorzubereiten und einen letzten chinesischen Tempel anzuschauen. Alles verzögert sich ein bisschen, weil erst Jonas und dann ich krank werden, aber dafür werden wir einen Abend zum Krabben-Essen eingeladen. Süßwasserkrabben – eine Delikatesse für Chinesen und lebendig per Express aus Shanghai hertransportiert. Ich bin eher ein bisschen skeptisch und bin froh, dass ich 3/4 meiner Krabbe an meinen Sitznachbarn weitergeben kann.

Passend zu den Krabben gab es im Tontopf gereiften Reis-Wein
Ein kranker Jonas, sehr leidend.

Als wir endlich wieder losfahren, merken wir, dass wir schon ein bisschen Muskelmasse verloren haben und auch meine Krankheit noch nicht ganz auskuriert ist. Wir machen also gleich nochmal zwei Tage Pause, bevor wir entspannt weiter Richtung Süden fahren. Wir verbringen unsere letzten Tage auf 2000m Höhe und genießen den strahlenden Sonnenschein und die trotzdem frische und klare Luft. Als schließlich unsere große Abfahrt in den Dschungel Südostasiens kommt, wird es von Meter zu Meter wärmer und feuchter. Alles wird noch grüner, wir sehen unsere ersten Bananenstauden und können es nicht so richtig fassen, dass die kalten Tage jetzt wohl wirklich hinter uns liegen. Auf dem Weg nach unten stoßen wir auf einen anderen Radfahrer: Sam, Neuseeländer, ist in London losgefahren und will auch nach Singapur. Wir freuen uns sehr, weil wir seit Monaten keine anderen Radler getroffen haben! Wir fahren also gemeinsam in die nächste Stadt und teilen uns ein Hotelzimmer.

Hallo, Sam!

Inzwischen ist der 24. Januar – der Tag vor Chinese New Year, also quasi „Chinese Silvester“! Die ganze Stadt wirkt deshalb wie ausgestorben, alle Läden sind dicht und viele Chinesen sind zu ihren Familien gefahren. Wir laufen im Dunkeln durch die Straßen und hören vor allem viele laute Knalle. Scheinbar mögen es Chinesen hier vor allem laut, wirklich buntes Raketen-Feuerwerk sehen wir nur selten, dafür von sehr Nahem.

Happy New Year!
Neujahrstag schaut in China nicht viel anders aus als in Europa – aber vieles wurde am gleichen Tag weg gemacht!

Die nächsten Tage genießen wir die Fahrt an einem Fluss entlang gemeinsam mit Sam. Wir kaufen an den Straßen spottbillige Bananen, Papayas und Ananas und verbringen unsere ersten Nächte wieder im Zelt! Zweimal werden wir von der Polizei angehalten und unsere Temperatur wird gemessen. Das sind eigentlich die einzigen wirklichen Anzeichen, die wir hier unten vom Corona-Virus mitbekommen. Auch an der Grenze müssen wir nur kurz ein Formular ausfüllen, dass wir keine Symptome haben und nicht in Wuhan waren – ein einfaches ankreuzen reicht hier völlig und nachprüfen wird das wohl auch kein Mensch. Nachdem wir durch die Passkontrollen auf chinesischer Seite durch sind (das dauert viel länger als man denkt, weil der Grenzbeamte mehr als verwirrt ist, dass in meinem Pass ZWEI Nachnamen stehen), müssen wir auf vietnamesischer Seite noch ein Formular mit ungefähr den gleichen Fragen ausfüllen, und dann sind wir durch. Die letzten Tage in China waren so entspannt und schön, dass uns der Abschied unerwarteterweise doch schwerer fällt als gedacht, aber wir sind gleichzeitig so gespannt auf die nächsten Monate. Südostasien, hier sind wir!