Nach unsere intensiven Zugfahrt sind wir sehr erleichtert, als wir abends in Xi’an ankommen. Wir holen unsere Räder vom Gepäckversand ab und fahren durch die Innenstadt zu unserer Wohnung. Und Xi’ans Innenstadt bei Nacht ist wirklich eine Attraktion! Bunt beleuchtete Türme und eine große Stadtmauer prägen das Stadtbild -Xi’an war früher die Kaiserstadt und hat als eine der wenigen chinesischen (Groß-)Städte noch antike Gebäude. Ungefähr 30km vom Zentrum entfernt befindet sich die berühmte Terrakottaarmee – eine Armee aus tausenden Tonkriegern, Pferden und Streitwägen, die gemeinsam mit dem ersten Kaiser begraben wurde und diesen nach seinem Tod beschützen sollte. Ein paar Jahre später wurde die Armee jedoch von … fast komplett zerstört und erst in den 1970ern wieder entdeckt. Seitdem werden die einzelnen Krieger, die alle individuell aussehe, aufwändig restauriert und ziehen Scharen von Besuchern an – zum Beispiel auch uns.

Lauter Tonkrieger…
… und wir mittendrin!

Als wir uns nach unserem Besuch mit einem Kaffee ein bisschen ein heimatliches Gefühl holen wollen, werden wir nirgends nach einem Café fündig, dass Kaffee nicht ausschließlich in To-Go-Bechern verkauft. Irgendwie trifft mich das noch härter als es das an anderen Tagen getan hätte, weil mich schon seit ein paar Tagen ein bisschen Heimweh plagt. Wir versuchen aber, uns davon nicht entmutigen zu lassen, und wollen ein weiteres Highlight aus Xi’an anschauen: Die Stadtmauer. Die Mauer ist ungefähr 10m breit und wir haben im Internet gelesen, dass man super mit dem Rad einmal auf der Mauer um die Innenstadt fahren kann. Welch Zufall, wir haben ja sogar Fahrräder dabei! Also tragen wir sie einige Stufen hoch und runter um zum Aufgang der Mauer zu kommen. Als wir dort ankommen und mit einem Beamten kommunizieren, macht er uns klar, dass wir unsere Räder nicht mit nach oben nehmen dürfen, sondern wir sie unten absperren und dann oben Stadträder kostenpflichtig ausleihen sollen. Das nervt uns total und ist wieder so ein Beispiel für chinesische Bürokratie. Auf uns wirkt es manchmal so, als ob Beamte nur Dinge durchgehen lassen, die EXPLIZIT erlaubt sind – Grauzonenfälle werden grundsätzlich vorsichtshalber verneint. Als wir uns eine halbe Stunde später dann dazu entschließen, doch noch auf die Mauer zu gehen und an der Kasse unsere Studentenausweise zeigen, meint die Kassiererin, dass der Studentenpreis nur für chinesische Studenten gilt. Daraufhin haben wir überhaupt keine Lust mehr, 30€ zu zahlen um auf der Mauer mit geliehenen Rädern zu fahren, obwohl unsere eigenen das viel besser täten. Ziemlich frustriert gehen wir nach Hause.

Bisher ist China wirklich eine Achterbahnfahrt der Gefühle, und das ändert sich auch am nächsten Tag nicht. Da steht nämlich einer von Jonas Träumen auf dem Programm: Der Hua Shan – einer der fünf heiligen Berge Chinas. Wir stehen früh auf, um einen Schnellzug zu nehmen, der uns zum Berg bringt und laufen schließlich von unten den Weg nach oben. Viele Treppen und perfekter Asphalt bilden den Wanderweg, anstrengend ist es aber trotzdem. Als wir auf dem ersten von fünf Gipfeln ankommen, sind wir richtig stolz – es gibt nämlich auch eine Seilbahn, die Besucher um einiges bequemer nach oben bringen. Wir genießen das fabelhafte Wetter und erklimmen auch noch die anderen Gipfel. Damit haben wir ungefähr 10 000 Stufen und über 2000 Höhenmeter erlaufen und kehren müde aber glücklich wieder nach Xi ‚an zurück.

Am nächsten Mittag brechen wir schließlich wieder auf, um nach unserer einwöchigen Fahrradpause weiter Richtung Chengdu zu fahren. Wir wollen auf dem Weg noch einen Nationalpark besuchen, und fahren deshalb erstmal Richtung Westen. Wir fahren durch riesige Baustellen und Hochhaus-Rohbauten vorbei – hier entstehen aus dem Nichts ganze Städte. Leider quält uns währenddessen ein richtig starker Muskelkater von unsere Bergbesteigung und weil wir beide dazu noch etwas erkältet sind, machen wir spontan gleich nochmal zwei Tage Pause in irgendeiner chinesischen Stadt. Als wir wieder weiterfahren, kommen wir in ein wunderschönen Nationalpark der an einem Fluss entlang in die Berge führt. Wir sind schon 25km bergauf gefahren, als uns plötzlich die Polizei anhält und uns mit aufs Revier nimmt. Dort sitzen wir dann ungefähr eine halbe Stunde. Währenddessen werden unsere Pässe kopiert und wir kommunizieren via Handy-Übersetzer mit den Beamten. Irgendwann ist uns klar, dass wir diese Straße (und damit die Verbindung nach Chengdu) nicht fahren dürfen. Wir zeigen einem Beamten auf unserer Navigationsapp eine Parallelstraße die in die selbe Richtung fährt und fragen, ob wir die nehmen dürfen. Das bejaht er freundlich. Immerhin, denken wir uns, und fahren (mal wieder) ziemlich frustriert alles wieder zurück. Eskortiert werden wir dabei von einem Polizeifahrzeug mit fünf Beamten, die die ganze Zeit hinter uns her tuckeln.

Am nächsten Tag machen wir uns dann auf den Weg zu dem zweiten Pass, den wir laut Polizei ja befahren dürfen. Als wir an der Kreuzung ankommen, beschließen wir, sicherheitshalber doch noch eimal nachzufragen – es war gestern echt bescheiden, so viel umsonst gefahren zu sein. Der Polizist spricht leider kein englisch, aber hat nach einer halben Stunde Wartezeit einen Kollegen organisiert, der zumindest „Hello“ sagen konnte. Den Rest haben wir auch mit ihm dann per Handyübersetzer geklärt. Wie wir dumpf schon befürchtet haben, dürfen wir nämlich auch diesen Pass nicht fahren – das Gebiet ist voller Militär, und Ausländer sind hier nicht gestattet. Zumindest nicht, wenn sie allein unterwegs sind, denn Zug fahren geht klar. Wir sind also wieder ziemlich ernüchtert, denn unser Plan, mit dem Rad nach Chengdu zu fahren, hat sich damit erledigt – der Weg, den sie uns zeigen, ist ungefähr 500km länger und für uns zeitlich und motivationstechnisch nicht machbar. Frustriert fahren wir in die nächste Stadt und buchen uns Zugtickets nach Chengdu. Immerhin dauert die Fahrt diesmal nur 12 Stunden und wir müssen dort nicht übernachten, yeah! Als wir am Abend unsere Räder als Gepäck abgeben, werden einfach all unsere Fahrradtaschen in einen großen Sack geschmissen und von den Beamten dort einfach zugenäht. Wir sind deshalb noch ziemlich skeptisch, weil wir bei unserer letzten Zugfahrt unser ganzes Benzin, unser Messer (inzwischen haben wir ein neues gekauft gehabt), Feuerzeuge und ählniches wegschmeißen mussten. Als der Gepäcksack dann durch den Scanner läuft, erscheinen auf dem Bildschirm auch lauter seltsame und verdächtige Sachen. Die Frau an der Kontrolle fragt uns auch gleich, was eine große Sprühflasche enthält, die sich in einer Tasche befindet. Als wir sagen, dass das Kleber für Reperaturen ist, nickt sie und schickt den Rest einfach durch. Wir können unser Glück kaum fassen, denn vor allem an das Benzin zu kommen, war ein echter Kampf (denn Benzin darf nicht einfach so verkauft werden).

Ein bisschen mehr mit China versöhnt steigen wir also am nächsten Morgen in den Zug und fahren vorbei an hohen Bergen, blauen Flüßen und vielen Tunnels nach Chengdu. Unsere ersten Wochen in China waren echt mit mehr Tiefs als Hochs verbunden, aber so langsam leben wir uns ein bisschen besser ein!

Tschüss Shaanxi, hallo Sichuan!