Bevor wir angefangen haben, unsere Tour zu planen, wussten wir über Turkmenistan eigentlich gar nichts. Daran hat sich auch fast nichts geändert, bis wir in das Land gefahren sind. Das Land wird von einem Präsidenten mit quasi diktatorischen Möglichkeiten regiert – der Präsident, der 1992 bis 2006 an der Macht war, ließ sich „Führer der Turkmenen“ nennen und überall Statuen von sich errichten. Pressefreiheit ist im Prinzip überhaupt nicht vorhanden – Turkmenistan ist auf dem letzten Platz der Rangliste der Pressefreiheit von 2019 – noch hinter Nordkorea. Es ist demnach eines der abgeschottetsten Länder der Welt – ein Touristenvisum zu bekommen ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich und so bleibt nur die Option eines 5-Tages-Transitvisums. Wir mussten also die 500km in 5 Tagen zurück legen – inklusive stundenlanger Ein- und Ausreise. Unsere Erwartungen an Turkmenistan waren deshalb auch sehr gering: Gegenwind, Wüste, schlechte Straßen, unfreundliche Menschen, hartes Brot und hartes Klopapier – das haben wir in anderen Reiseberichten gelesen. Unsere Hoffnungen, die Kilometer aus eigener Kraft zu schaffen, waren quasi nicht vorhanden.

Als wir aus dem Iran ausreisen wollen, stellt uns die Geheimpolizei erstmal einen Haufen seltsamer Fragen („Haben Sie Freunde im Iran?“) und all unsere Taschen werden geröngt und kontrolliert – dann dürfen wir auf die turkmenische Seite wechseln. Dort werden nochmal all unsere Sachen kontrolliert, wir müssen unsere Fingerabdrücke abgeben und pro Person 10$ bezahlen – plus 3,80$ „Bankgebühr“ pro Kopf, damit wir die 10$ bezahlen dürfen. Aber die Beamten waren alle sehr nett und schneller als erwartet (nach nur 1,5 Stunden) sind wir tatsächlich in Turkmenistan!


Hallo Turkmenistan!

Wir radeln sofort los, schließlich müssen wir in den ersten 4 Tagen fast die ganze Strecke fahren, damit wir auf jeden Fall pünktlich an der Grenze sind. Der Wind hält sich zum Glück in Grenzen und so kommen wir gut voran. Als wir uns eine Wassermelonen-Pause gönnen (1 Wassermelone ist ja auch schnell gegessen), erleben wir zum ersten Mal auch turkmenische Gastfreundschaft – die Menschen sind sehr freundlich, schenken uns noch ungefähr ein Kilo Tomaten und begutachten unsere Räder ausführlich. Als wir an der überraschend guten Straße weiterfahren, sehen wir neben uns Baumwollfelder mit Erntearbeitern und kleine Baumwoll-Blüten an der Straße!

Nach 125km geht schließlich die Sonne unter und wir fragen einen Landwirt, ob wir bei ihm auf dem Grundstück unser Zelt aufschlagen dürfen. Ohne ein Wort Englisch macht er uns deutlich, dass wir in einer Art Hütte schlafen sollen, die von außen wie ein heruntergekommenes Haus aussieht. Mit der Zeit stellt sich allerdings heraus, dass hier ein Freund des Landwirtes mit einem anderen Arbeiter wohnt – trotzdem dürfen wir einfach mit den beiden zusammen in ihrem Zuhause übernachten. Das ist schön, denn nachts wird es schon ziemlich kalt. Wir bekommen Brot, Melone und Tee angeboten und sind von der Freundlichkeit der Turkmenen ziemlich überwältigt. Auch als wir am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang aufstehen, bekommen wir noch einen warmen Tee und eine herzliche Verabschiedung.


Turkmenisches Wohnzimmer


Ein magischer Wüsten-Morgen

Auch an unserem zweiten Tag ist der Wind zunächst weniger schlimm als erwartet und wir schaffen vor dem Mittagessen schon 85km – dann sind wir in der ersten großen Stadt auf unserem Weg. Nach einer ausgiebigen Stärkung in einem der schönsten Cafés, die wir während unserer Reise besucht haben, fahren wir ein bisschen durch die Stadt. Wir sehen vor allem drei Farben: weiß, gold und grün. Besonders offizielle Gebäude sind weiß mit goldenen und grünen Akzenten, die Schuluniform turkmenischer Mädchen ist ein langes, grünes Kleid mit ein paar Akzenten und auch die Dächer der meisten Häuser sind grün. Dazu noch ein paar Fotos und goldene Statuen des Präsidenten – fertig. Alles wirkt ein bisschen unwirklich und konstruiert, vor allem im Vergleich zu den sehr einfachen und ärmlichen Dörfern auf dem Land.

Nach 132km finden wir einen schönen Campingplatz und gehen früh schlafen, um an nächsten Tag wieder vor der Sonne aufzustehen. Als wir so in den Sonnenaufgang und in die Wüste hinein fahren, ist es zum einen ziemlich kalt, zum anderen werden nun tatsächlich auch die Straßen deutlich schlechter. Wir werden ziemlich durchgerüttelt und kommen langsamer, aber trotzdem stetig voran. Als wir am Abend bei ca. 135km angekommen sind, finden wir einen geschützten Zeltplatz in den Dünen – wir campen heute mitten in der Wüste! Das ist irgendwie echt cool, und am nächsten Tag sind wir nach nur 85km in Türkmenabat – der Stadt kurz vor dem Grenzübergang. Wir sind komplett erschöpft und gleichzeitig so glücklich, dass wir es tatsächlich aus eigener Kraft geschafft haben! Wir checken in das billigste Hotel der Stadt ein (und das kostet immer noch 20$ für ein Zimmer ohne WLAN, Frühstück oder Waschbecken) und gehen direkt nebenan in ein Café, um Mittag zu essen. Auch hier ist die Bedienung super freundlich und wir freuen uns sehr, dass sie sogar ein paar Worte Englisch kann – das konnte in Turkmenistan bisher quasi niemand! Im Basar der Stadt geben wir noch unser restliches turkmenisches Geld aus und kaufen Trockenfrüchte und 1,5kg gebrannte Erdnüsse – der perfekte Snack für zwischendurch!

Als wir am nächsten Tag die restlichen Kilometer zur Grenze fahren, sind wir so dankbar, dass wir dieses Land durchreisen durften und mal wieder von der Gastfreundschaft der Menschen überrascht wurden. Auch bei der Ausreise gibt es keine Probleme und zack – auf einmal sind wir in Usbekistan!