Wir treffen meine Eltern in der Hotellobby. Um 8 Uhr morgens sind sie in Hanoi angekommen und wegen des Jetlags ein bisschen kaputt. Deshalb lassen wir unseren ersten gemeinsamen Tag ruhig angehen und erkunden ein bisschen die Hanoier „Altstadt“, die aus viel zu engen Straßen besteht, durch die sich viel zu viele Rollerfahrer quetschen und die die Gehsteige als Parkplätze nutzen. Als Fußgänger muss man deshalb am Straßenrand laufen und wirklich aufpassen, um nicht von obengenannten Verkehrsteilnehmern umgefahren zu werden. Der Verkehr ist generell sehr hektisch. Alles, was ein oder mehrere Räder besitzt, hupt, schrillt und klingelt, was das Zeug hält. Aber der Verkehr fließt auch irgendwie. Jeder passt auf, und wenn man versehentlich mal ohne zu schauen über die Straße geht, weichen die Rollerfahrer ohne große Proteste und Schimpftiraden aus.

Die nächsten 10 Tage vergehen wie im Flug. Ich war vorher ein kleines bisschen aufgeregt, wie unsere Vierergruppe harmoniert. Vor allem, weil meine Eltern zu zweit oft Gruppenreisen unternehmen und wir als Individualtouristen professionell geplante und durchgetaktete Urlaube doch eher scheuen. An einem Abend sagt mir meine Mutter sogar sinngemäß: „Ich bin froh, dass wir so gut zurechtkommen. Ich habe schon befürchtet, dass wir uns auseinandergelebt hätten.“ Von diesem Satz kann ich jetzt immer noch zehren 🙂 Von Hanoi aus besuchen wir die bekannte Halong-Bucht, in der tausende Limestone-Felsen teilweise senkrecht aus dem Meer ragen. Diese Szenerie ist spektakulär anzusehen, aber was uns besonders begeistert ist das kostenlose VIP-Upgrade, das wir bekommen. Wir werden von einem Privatbus abgeholt und bekommen auf dem Schiff sogar VIP-Kabinen ganz vorne mit Privatbalkon und eigenem Whirlpool. Schade, dass wir nur für eine Nacht dort bleiben durften 🙂

Ganz vorne oben sind unsere Suites. Wer genau hinschaut, kann sogar den Jacuzzi erahnen ☺️🤓

Als nächstes nehmen wir den Nachtzug nach Hue, der alten Kaiserstadt Vietnams. Dort gibt es, vom großen Bruder China inspiriert, eine Verbotene Stadt! Und obwohl wir schon die Pekinger Variante besichtigt hatten, hat uns die vietnamesische wirklich viel besser gefallen! Die Anlage ist nämlich etwas anders angelegt. Statt überall große Plätze und viel gepflastertem Boden (China) besteht die Kaiserstadt Vietnams aus vielen kleinen Parks und Grünanlagen. Außerdem wurde sie nur zum Teil restauriert, was uns persönlich viel besser gefällt als die perfekt „überrestaurierten“ chinesischen Pendants.

Außerdem hat Hue eine schöne Touri-Meile. An einem Abend singen Straßenmusiker westliche Klassiker, ein paar ältere europäische Paare tanzen zu den Beatles. Papa nimmt Mama an die Hand und führt sie auf die Tanzfläche. Sina und ich stehen am Rand und schauen dem schönen Treiben zu. Nach all den Jahren Ehe, nachdem sie uns drei Kinder durchgebracht haben, haben sie sich immer noch lieb. Bei dem Gedanken steigen mir Tränen in die Augen. Wie privilegiert ich bin. Vollkommen unverdient. Weil ich zufällig auf der richtigen Seite der Erdkugel, in der richtigen Familie aufgewachsen bin. Im gleichen Moment bin ich unglaublich traurig, dass nur so wenige Menschen diese Privilegien erfahren dürfen. Jetzt, da ich diese Zeile schreibe, macht mich der Gedanke daran echt verzweifelt. Das ist so ungerecht. Im Norden Vietnams in den Bergdörfern haben wir arme, schmutzige, hungrige Kinder gesehen, die sicherlich nie die Chance haben, ein anderes Land – wahrscheinlich nicht einmal eine andere Provinz des eigenen Landes – zu sehen. Warum diese Ungerechtigkeit?

… Hier sind wir alle unsere Kekse losgeworden!

Die letzte Station unserer Reise führt uns über den Wolkenpass, der die Wetterscheide zwischen dem kühleren Norden und dem sehr tropischen Süden Vietnams bildet. In Hoi An will ich mir einen Anzug schneidern lassen, deshalb seilen wir uns von meinen Eltern ab, die eine Führung durch das Küstenstädtchen machen.

Sieht gut aus, oder? 🤭🙂

An unserem letzten gemeinsamen Abend schlendern wir durch die Innenstadt, die komplett auf Tourismus ausgelegt ist. Sie ist trotzdem echt schön. Ganz viele Lampions beleuchten die Gässchen und kleine Restaurants und Cafés laden zum Hinsetzen und Anschauen ein.

Laternen überall!

Am nächsten Morgen sagen wir den beiden Lebewohl, als sie in Richtung Ho Chi Minh-City (ehemals Saigon) aufbrechen. Traurig, aber in freudiger Erwartung (es sind immerhin nur hoch wenige Monate bis wir wieder zurück sind), lassen wir meine Eltern in den Shuttlebus steigen. Weil wir nicht fliegen wollen und uns die Zugfahrt echt lange dauert, nehmen wir am Abend eine Nachtverbindung zurück nach Hanoi, wo unsere Räder auf uns warten.

DANKE, dass ihr da wart! Ihr seid die Besten 😘

Der Trubel der Hauptstadt überwältigt uns aufs Neue und wir sind froh, als wir dem verrückten Verkehr nach der Stadtausfahrt entkommen. Je weiter wir in Richtung laotische Grenze kommen, desto ruhiger wird es. Weniger und weniger Menschen leben hier, aber die Berge werden steiler und steiler. Und in weiser Vorraussicht kaufen wir mit unserem letzten vietnamesischen Geld noch ein paar Vorräte für die ersten Tage im neuen, unbekannten Land.